Segeltechnik
Und die Wikinger konnten doch kreuzen!
An dieser Stelle soll es um das Segel(n) mit meinem Wikingerboot gehen.
Das Segel besteht aus mittelschwerem Leinen und ist trapezförmig geschnitten. Dies bedeutet, dass das Oberliek kürzer als das Unterliek ist. Genäht habe ich das Segel aus vier senkrecht verlaufenden Stoffbahnen. Anschließend habe ich entlang aller Lieken ein so genanntes Liektau eingenäht. Dieses dient der Verstärkung des Segels, insbesondere der besseren Kräfteeinleitung in den Bereichen, an denen die Schoten und Leinen ansetzen. Um die diversen Schoten und Leinen später am Segel befestigen zu können, mussten noch etliche Ösen und Schlaufen eingenäht werden. Das Segel wird dann mit dem Oberliek an die Rah angebändselt. Die dafür notwendigen Bändsel habe ich direkt am Segel angenäht. Um das Segel optisch etwas aufzuwerten, habe ich es mit einem stilisierten Drachen bemalt.
Viel Tüddelband
Dank mehreren Dutzend Metern Tauwerk wird aus dem schick bemalten Tuch ein Segel. Das Tauwerk sorgt dafür, dass das Segel im Wind zu bändigen ist und letztendlich den erwünschten Vortrieb am Boot erzeugt. Im Detail sind dazu notwendig: je 2 Schoten pro Schothorn, je eine Buleine pro Seitenliek, zwei Brassen, eine Mittelschot, zwei Reffreihen und natürlich das Fall.
Als erstes sei hier das Fall beschrieben. Ein Fall ist das Tau, mit dem das Segel am Mast in die Höhe gezogen wird. Es wird mit einem Ende mittig an der Rah festgeknotet, läuft dann an der Vorderseite des Mastes hinauf, dort durch das Gleitlager und wird anschließend schräg nach achtern zum V-Spant geführt, wo es dann ebenfalls festgeknotet wird. An der Rah wird dann mit dem Fall gleichzeitig auch das Bügelrack befestigt. Dies ist ein halbrund gebogenes Stück Holz, welches um den Mast herum läuft. Es sorgt dafür, das die Rah beim Setzen und Bergen am Mast bleibt und nicht gefährlich im Wind schlägt. Das Fall wird schräg nach achtern geführt, da dadurch der Mast zusätzlich in dieser Richtung abgefangen wird.
Als nächstes wären dann die Brassen zu betrachten, die an den Enden der Rah angeschlagen sind. Von der Funktion handelt es sich hierbei um zwei Leinen, eine je Rahnock. Ich habe sie aber als eine endlos Leine ausgeführt. Das heißt, das sie von einer Nock nach unten und dann wieder hoch zur anderen Nock läuft. Dies hat den großen Vorteil, das die Brassen nicht so leicht auswehen können, wenn sie mal jemanden aus der Hand gleiten. Mit den Brassen wird die Rah in die richtige Stellung gedreht und gehalten. Belegt werden die Brassen an einem kleinen Poller, immer auf der Luv Seite. Die Poller bestehen aus Auflangern, die etwas über die Oberkante des Rumpfes herausstehen.
Als Pendant zu den Brassen bleiben nun die Schoten zu betrachten. Diese sind an den Schothörnern des Segels angeschlagen und halten diese in ihrer gewünschten Position. Pro Schothorn gibt es eine Doppelschot. Das bedeutet, dass vom Schothorn aus ein Teil der Schot nach vorn und der andere nach achtern geführt wird. Diese Anordnung sorgt dafür, das man die Schoten beim Halsen des Segels nicht von vorn nach achtern tragen muss, sondern die eine nur losgeworfen und die andere dicht geholt werden muss. Die Hohlepunkte der Schoten sind Löcher im oberen Bereich der letzten Planke. Belegt werden die Schoten auf den schon erwähnten Pollern.
Um das Segel hoch an den Wind zu bringen, sind die Buleinen notwendig. Diese stützt das Seitenliek, welches hoch am Wind quasi zum Vorliek wird. Dies ist notwendig, da das Segel auf diesem Kurs sonst ständig einfallen (back stehen) würde. Es gibt je Seitenliek eine Buleine, die mittels eines Hahnepotes am Segel befestigt ist. Es wird immer nur die Buleine gesetzt, dessen Seitenliek nach vorn zeigt. Die andere bleibt locker hängen. Die Buleinen sind ebenso wie die Brassen als Endlosschot ausgeführt. So läuft die Buleine von einem Seitenliek nach vorn durch eine Bohrung im Steven, wo sie dann auch belegt wird, und dann nach achtern zum anderen Liek. Nun bleibt noch die Mittelschot zu betrachten. Diese stellt ein Trimminstrument dar, mit dem man den Bauch des Segels regulieren kann. Sie greift über mehrere Punkte am Unterliek an und wird einfach an den Mastfuss gebunden.
Reffen
Um das Segel den verschiedenen Windbedingungen anpassen zu können, habe ich noch zwei Reffreihen eingenäht. Diese ermöglichen es die Segelfläche zu verkleinern. So stehen drei verschiedene Segelflächen, mit 8,5, 6 und 4 Quadratmetern, zu Verfügung. Gerefft wird von unten. Das heißt, das die Schoten an der entsprechenden Reffreihe angeschlagen werden und dann der gereffte Teil des Segels mittels eingenähter Reffbändsel zusammen gebunden wird.
Soviel also zur Theorie des Rahsegel(n)s und nun zur Praxis.
Die Skidbladnir ist sehr wendig, leicht und reagiert äußerst spontan und sensibel. Der Tiefgang beträgt je nach Zuladung etwa 30 bis 40 cm. Dies gestattet ein Segeln und Rudern in sehr flachen Gewässern, wo sonst kaum ein anderes Boot hingelangt.
Bei Flaute: Rudern!
Rudern lässt es sich natürlich ebenfalls hervorragend. Dies kann in den verschiedensten Besetzungen geschehen. Grundsätzlich wird es von bis zu drei Personen/ Rudersklaven gerudert, die je ein paar Riemen bewegen. Da die Rudersklaven aber ständig was von Gewerkschaft, gesetzlichen Pausen, Mindestlohn, etc. faseln, ruder ich auch gern mal selbst. Denn auch mit nur einem Ruderer kann man eine beachtliche Geschwindigkeit erreichen. So habe ich mehrfach allein eine Strecke von 4 Seemeilen, ohne Pause, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 3,5 Knoten zurückgelegt. Wenn man sich richtig is Zeug legt sind auch schon mal 4,5 -5 Knoten drin.
Das Schönste: Segeln!
So, nun aber zum Segeln. Gesegelt werden kann auf allen Kursen, sprich vor dem Wind, raumschots, halber Wind und hoch am Wind. Das Boot segelt auf allen Kursen sehr gut. Lediglich die erreichbare Höhe am Wind ist natürlich nicht so hoch wie die moderner Boote. Aber dafür ist diese Konstruktion auch schon 1000 Jahre alt. Bis zu 3 Beaufort bin ich mit dem Boot auch noch allein unterwegs. Gut und sicher bei mehr Wind lässt er sich zu zweit segeln. Und zu fünft ist es auch noch sehr bequem für alle Anwesenden. Vor dem Wind ist der einzige Kurs, bei dem das Segel genau quer vor dem Mast hängt. Hierbei laufen beide Schoten nach achtern. Das Boot ist hier recht flott unterwegs, was sich daran gezeigt hat, dass ich bei leichtem Wind auf diesem Kurs einige 24- Meter Schoner überholt habe.
Auf dem Halbwind-Kurs steht das Segel in etwa diagonal im Schiff. Eine Schot ist nach vorn geführt, die Buleine leicht gesetzt und die andere Schot ist nach achtern gesetzt, aber nicht ganz dichtgeholt. Auf diesem Kurs ist das Boot sehr zügig unterwegs und die Abdrift sehr gering.
Hoch am Wind ist die schwierigste Disziplin für ein Segelboot, da hierbei sehr viele Kräfte gegeneinander arbeiten. Aber auch auf diesem Kurs schlägt sich mein Boot recht gut. Das Segel steht ähnlich wie in der Halbwind – Stellung, nur das die achtere Schot nun ganz dichtgeholt ist und die Rah noch etwas weiter in Richtung Längsachse gedreht ist. Das Boot steht auf diesem Kurs etwa 55 Grad zum Wind. Allerdings ist die Abdrift hierbei nicht unerheblich. Sie schlägt mit etwa 10 Grad zu Buche. Ein Tribut an das geringe Gewicht und den niedrigen Tiefgang. Die Höhe am Wind über Grund liegt bei diesem Kurs bei realistischen 65 Grad - ein Wert, mit dem ich aber durchaus zufrieden sein kann.
Auch diese recht alte Konstruktion hat einen hohen seglerischen Anspruch und lässt sich zudem sehr feinfühlig trimmen. Auf das Ruder reagiert es für einen Langkieler sehr direkt und spontan. Vor allem Hoch am Wind hat das Boot sehr richtungsstabile Eigenschaften. So setze ich dabei oftmals das Ruder fest und trimme den Geradeauslauf mit meinem Gewicht aus. Ist der richtige Punkt dabei gefunden, mach ich´s mir dort bequem und das Boot hält zuverlässig seinen Kurs. Ich habe es sogar geschafft, mit aufgeholtem Ruderblatt zu segeln. Wobei die Steuerung dann ausschließlich über den Gewichtstrimm und das Segel erfolgte (Verschiebung des Lateraldruckpunktes zum Segelschwerpunkt). Es funktioniert.
Auch das Verhalten bei Seegang ist sehr gut. Das Boot geht gut über die Wellen und bietet durch die hochgezogene Beplankung an den Steven ausreichen Reserveauftrieb. 1 bis 1,5 Meter Seegang auf der Ostsee stellen überhaupt kein Problem dar. Dies liegt in erster Linie daran, das dieses Boot sehr leicht ist. So stampft es nicht durch die Wellen, sondern geht über sie hinweg -quasi Berg und Talfahrt, wie eine Nusschale. Auch verträgt das Boot einiges an Krängung, trotz des geringen Freibordes von nur 30 cm im Mittschiffsbereich. Die Steven ragen etwa 50 cm höher in die Höhe. Bei guten 5 Beaufort hoch am Wind unter Vollzeug neigt sich das Boot dann soweit zur Seite das sich die Keipenleiste mittschiffs auf dem Niveau des Wasserspiegels befindet. Dann schwappt auch schon ab und an mal eine Welle ins Boot hinein. Dies ist aber nicht dramatisch, da das Boot trotzdem sehr stabil im Wasser liegt. Nur muss man natürlich das Wasser wieder heraus schöpfen und sollte vielleicht so langsam anfangen zu Reffen. Solch ein Wikingerboot ist also recht seetüchtig. Abgesehen davon ist dies alles eine Frage solider Seemanschaft und der frage wie gut man sein Boot kennt.
Halbtaucher und Experimente
Nachdem bei viel Wind öfters mal etwas Wasser ins Boot schwappte, stellte sich die Frage: was passiert eigentlich wenn das Boot voll läuft? Denn dies kann bei einem offen Boot theoretisch jederzeit passieren. Also haben wir das an einem warmen Sommertag einfach ausprobiert. An eine Sandbank gefahren, in der wir noch stehen konnten und das Boot dann einfach mit zwei Mann so weit gekrängt bis es voll läuft. Und es lief voll. Nun war nur noch die Frage, wie voll. Untergehen tut dieses Boot nicht, denn es besteht aus Holz und hat keinen festen Ballast, der es auf den Meeresgrund ziehen würde. Es schaut sogar noch die Keipenleiste am tiefsten Punkt etwa 5cm aus dem Wasser heraus. Dies bedeutet man kann das vollgelaufene Boot sogar ohne Hebevorrichtung wieder leer schöpfen (solange kein starker Wellengang herrscht). Was aber am erstaunlichsten war, ist die Tatsache das sich das vollgelaufene Boot noch eingenstabil in einer aufrechten Schwimmlage hält. Also nicht die Neigung zum Kentern hat. Wir habens getestet. Man kann das Boot bis zu einem Winkel von ca. 80 Grad auf die Seite legen, den Mast also fast bis aufs Wasser drücken und das Boot richtet sich immer noch selbstständing wieder auf. Fazit: man könnte sogar als Halbtaucher fahren -sieht bestimmt witzig aus, ist aber leider eine sehr nasse Angelegenheit.
Leerschöpfen mit zwei 5-Liter Holzeimern dauert übrigens ca. 10 Minuten.
Geschwindigkeit
Oft taucht die Frage auf, wie schnell denn so ein Boot ist. Beantwortet wird diese Frage grundsätzlich vom Wind und der Physik. Ein Boot wie dieses gilt als Verdränger. Es schiebt am Bug Wasser zur Seite und saugt es am Heck wieder zusammen. Gleiten kann so ein Boot nicht. Dazu bräuchte es Formen, die erst 900 Jahre später konstruiert wurden. Die maximale Geschwindigkeit eines Verdrängers lässt sich einfach anhand einer Formel berechnen. Sie ist abhängig von der Länge der Wasserlinie. Bei diesem Boot kommen dann ca. 5,7 Knoten raus. Schneller gehts nicht, da kann noch so viel Wind wehen. Erklären lässt sich das folgendermaßen: Das Boot schiebt beim Fahren eine Bugwelle vor sich her. Diese Bugwelle ist genauso schnell wie das Boot (logischerweise). Nach einer Welle (in diesem Fall Bugwelle) kommt natürlich ein Wellental. Und nach einem Wellental kommt irgendwann der nächte Wellenberg. Nun verhält es sich in der Natur so, dass mit zunehmender Geschwindigkeit der Welle auch das danach folgende Wellental immer länger wird. Je weiter das Boot beschleunigt, desto länger wird also das Wellental und damit der Abstand zwischen Bugwelle und dem nachfogenden Wellenberg. Irgendwann ist das Wellental dann so lang geworden, das der nachfolgende Wellenberg am Heck des Bootes angekommen ist. Dann hängt das Boot praktisch zwischen seiner Bugwelle und der Welle am Heck fest. Es hat beide Wellenberge ja selbst erzeugt. Und da kann es nicht raus. Schneller geht also nicht. Und weil bei einem langen Boot die Welle schneller sein muss um ein entsprechend langes Wellental zu erzeugen, als bei einem kuren Boot, ist ein langes Boot auch schneller als ein kurzes. Daher rührt auch der alte Spruch: Länge läuft.
Eine Möglichkeit doch noch schneller zu werden gibt es allerdings: surfen. Habe ich schon geschafft. Dies ist möglich, da das Boot recht leicht ist und gut beschleunigt. Ins surfen kann man solch ein Boot bringen, wenn der Wind gut und kräftig schiebt und es auf dem Wasser entsprechend hohe Wellen gibt. So ab ca. 1m Welle ist es möglich. Die Wellen müssen etwa schräg von achtern kommen. Dann kann man es erreichen, dass das Boot von einer kräftigen Welle geschoben wird. Wenn man nun den richtigen Winkel erwischt, kann man über längere Zeit diese Welle hinunterfahren und sich schieben lassen. Funktioniert im Prinzip wie bei den Surfern auf Hawai. Dann kann das Boot tatsächlich deutlich schneller werden als die 5,7 Knoten.
Sicherheit geht vor!
An dieser Stelle passt nun die Frage, wie viele Wikinger man denn nun wirklich für ein Schiff braucht, nämlich genau drei. Einen zum steuern, einen zum schöpfen und einen zum beten. Abschließend sie hier aber auch erwähnt, das ich, wenn ich allein unterwegs bin oder der Wind etwas frischer wird, immer eine automatische Rettungsweste anlege. Diese Maßnahme gilt natürlich für alle Mitsegelnden und für Kinder grundsätzlich. Dies animiert zwar öfters die umstehenden „Sehleute“ zu plumpen und unqualifizierten Kommentaren – „Wikinger mit Rettungsweste ha ha“, doch lieber ein Wikinger mit Rettungsweste und Boot, als eine Wasserleiche ohne Boot. Man sollte sich durch niemanden dazu verleiten lassen, die einfachsten Sicherheitsregeln außern acht zu lassen.